Ist die Unverträglichkeit von Milch der Grund, dass so viele Menschen bei der Fussballweltmeisterschaft lieber Bier trinken? Es ist doch erstaunlich, jedes Baby bekommt von seiner Mutter als Hauptnahrungsmittel zunächst Milch. Sei es über die Brust oder mit einem Fläschchen. Milch müsste doch das Lieblingsgetränk sein, einfach weil wir daran von Geburt an gewöhnt sind.
Schauen wir uns den Menschen von 10.000 Jahren an: Milchwirtschaft – also das Halten von Ziegen und Kühen – gibt es erst seit etwa 10.000 Jahren. Bis dahin gab es Milch auf dem Speisezettel der Jäger und Sammler nicht. Die Menschen waren genetisch so veranlagt, dass die Enzyme, die für die Laktosespaltung – also die Verwertung von Milchzucker – zuständig sind, spätestens fünf Jahre nach der Geburt schlichtweg abgeschaltet wurden. Der Urmensch brauchte die Fähigkeit, Milch zu verwerten nur so lange, wie er von der Mutter gestillt wurde.
Noch heute kommt die Laktoseintoleranz bei Kindern bis zum 3. Lebensjahr nur sehr selten vor. Eine "Milchunverträglichkeit" liegt bei Kleinkindern dann meist an einer Eiweissallergie.
In Europa besitzen noch etwa 30% der Menschen zumindest auf einem der beiden elterlichen Gene die Programmierung des Urmenschen und vertragen deshalb Milch nur eingeschränkt. Alle anderen Menschen sind sozusagen Mutanten.
Als der Mensch in Europa vor ca. 10.000 Jahren entdeckte, dass man mit Viehhaltung und dem Trinken von Milch das Überleben deutlich besser sichern konnte, gab es einen Selektionsdruck und die Mutanten überlebten eher, wenn eine Mutation in dem "Laktose-Gen" dazu führte, dass die Produktion des Enzyms Laktase eben nicht 3 Jahre nach der Geburt abgeschaltet wurde.
In Asien wurde Milch noch viel später als Nahrungsmittel entdeckt, eigentlich erst in den letzten 100 Jahren. Über 90% der Asiaten tragen daher noch das Urgen und vertragen Milch im Durchschnitt viel schlechter als Europäer oder Nordamerikaner.
Das Fehlen des Enzyms Laktase in der Darmwand führt zu Blähungen, Bauchschmerzen und Durchfall, weil die Laktose wie ein Abführmittel durch den Darm rauscht.
Nun, ich trage noch das Urgen und vertrage Milch daher schlecht. Ich muss also Bier bei den WM-Spielen trinken. Das ist halt so!
Bleiben Sie gesund.
Dr. Jens Heidrich
Facharzt für Labormedizin